Deutschland stuft Tunesien, Marokko, Algerien und Indien als sichere Herkunftsstaaten ein

Die schwarz-rote Koalitionsregierung hat beschlossen, einen neuen Gesetzentwurf zur Änderung des Migration- und Asylgesetzes auszuarbeiten. Der Entwurf zielt darauf ab, das Verfahren zur Einstufung sicherer Herkunftsstaaten zu ändern und die Verpflichtung der Regierung aufzuheben, Personen in Abschiebehaft einen Rechtsbeistand zur Verfügung zu stellen. Die Regierung hat sich darauf verständigt, die Innenminister der Koalitionsparteien bei der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs zu unterstützen.

Laut der Pressestelle der Regierung sieht die vorgeschlagene Gesetzesänderung vor, dass die Einstufung sicherer Herkunftsstaaten künftig per Regierungsbeschluss erfolgen kann – ohne Zustimmung des Bundesrats. Damit soll verhindert werden, dass Landesregierungen, in denen die Linkspartei oder die Grünen mitregieren, den Gesetzentwurf wie in der Vergangenheit blockieren.

Die Bundesregierung strebt an, die Einstufung sogenannter sicherer Herkunftsstaaten stärke zu kontrollieren – mit dem Ziel, zunächst Marokko, Tunesien, Algerien und Indien in die Liste aufzunehmen. In einem weiteren Schritt soll die Bearbeitung von Asylanträgen aus diesen Ländern beschleunigt und die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber erleichtert werden. Laut dem Koalitionsvertrag heißt es: „Wir werden mit der Einstufung Algeriens, Indiens, Marokkos und Tunesiens beginnen. Eine ähnliche Einstufung sollte auch für weitere sichere Herkunftsländer geprüft werden.“

Gemäß dem Beschluss des Ministerrats sieht der Gesetzentwurf außerdem vor, das Recht von Personen in Abschiebungshaft auf einen staatlich bestellten Rechtsbeistand aufzuheben. Dieses Recht war zuvor auf Initiative der Grünen von der früheren Koalitionsregierung eingeführt worden. Die geplanten Änderungen betreffen insbesondere Asylbewerber, die im Rahmen der Dublin-Verordnung in andere EU-Staaten überstellt werden sollen.

Der Gesetzentwurf der Regierung stößt auf Widerstand von der Linken, den Grünen sowie von Rechtsexperten, da er sowohl dem Bundesrat als auch dem Bundestag das Recht auf Stellungnahme entzieht. Auch die Anwaltskammer hat Bedenken gegen den Entwurf geäußert. Sie kritisiert, dass dieser das Asylrecht unnötig verkompliziere und sich auf eine geplante Änderung des europäischen Rechts statt auf das bestehende deutsche Asylrecht stütze – was zu rechtlich komplexen und ungerechtfertigten Unterschieden führen könne. Der Migrationsexperte der Anwaltskammer, Christoph Tometen, ist der Ansicht, dass der Entwurf nicht dazu beitragen werde, die Asylverfahren zu beschleunigen – etwa bei überfälligen Entscheidungen über Asylanträge.

Die Grünen haben der Bundesregierung vorgeworfen, die Rechtsstaatlichkeit zu untergraben. Die Grünen-Politikerin Filiz Polat hat gesagt: „Die Einstufung sicherer Herkunftsländer ist keine bloße Verwaltungsmaßnahme, sondern ein weitreichender Eingriff in individuelle Schutzrechte mit schwerwiegenden Konsequenzen für Flüchtlinge. Zudem ist die Beteiligung der Verfassungsorgane ist keine lästige Pflicht, sondern eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit.“

Auch deutsche zivilgesellschaftliche Organisationen haben die Entscheidung der Bundesregierung scharf kritisiert. Die Menschenrechtsorganisation „Pro Asyl“ hat den Gesetzentwurf der Regierung als verfassungswidrig und undemokratisch bezeichnet. Die Sprecherin der Organisation, Vebki Judith, hat gesagt: „Die Einstufung von Herkunfts- und Drittstaaten als ‚sicher‘ erschwert es schutzbedürftigen Menschen erheblich, den Schutz zu erhalten, den sie dringend benötigen und dem sie rechtlich zustehen.“

Der aktuelle Gesetzentwurf steht im Zusammenhang mit dem Vorhaben der Bundesregierung, eine umfassende Reform der Migrationspolitik umzusetzen, was auch Bundesinnenminister Alexander Dobrindt in seiner Antwort auf Fragen von Journalisten bestätigt hat: „Es geht darum, die Reform der Migrationspolitik umzusetzen.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert