Auf dem EU-Gipfel in Spanien gelang es nicht, einen Konsens über eine Asylreform zu erzielen. Polen und Ungarn hatten zwei Tage nach einer Einigung, die die Grundlage zwischen den Mitgliedstaaten bilden sollte, ihren entschiedenen Widerstand gegen die „Reform“ der europäischen Migrationspolitik verkündet.
Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki sagte in diesem Zusammenhang bei seiner Ankunft auf dem informellen EU-Gipfel in Granada am Freitag, dem 6. Oktober: „Wir haben keine Angst vor Diktaten aus Brüssel und Berlin.“
Zehn Tage vor den Parlamentswahlen in Polen, bei denen ein intensiver Wettbewerb erwartet wird, bekräftigte er seine Weigerung, seinem Land ein System zur „Verteilung illegaler Einwanderer“ aufzuzwingen.
Sein ungarischer Amtskollege Viktor Orbán ging in seiner Kritik noch weiter und sagte: „Wenn man also rechtlich vergewaltigt wird, zu etwas gezwungen wird, das einem nicht gefällt, wie will man dann einen Kompromiss oder eine Einigung erzielen? Das ist unmöglich.“
Das Thema Migration, eines der heikelsten Themen unter den 27 Mitgliedsländern, wurde auf dem Hintergrund des jüngsten Zustroms von Migranten auf die kleine italienische Insel Lampedusa auf die Tagesordnung des Gipfels gesetzt. Daran wird die dringende Notwendigkeit einer koordinierten europäische Antwort deutlich.
Am Mittwoch, dem 4. Oktober, einigten sich die Botschafter der EU-Länder auf eine Verordnung, die einen verbindlichen Solidaritätsmechanismus zwischen den Mitgliedstaaten für den Fall etabliert, dass eines dieser Länder mit einer „Ausnahmesituation“ im Zusammenhang mit der Ankunft einer „großen Zahl“ von Flüchtlingen an seinen Grenzen konfrontiert wird.
Die Verordnung sieht ein System vor, das von traditionellen Asylverfahren abweicht und weniger Schutz für Einwanderer bietet. Sie basiert auf einem Vergleich, der geschlossen wurde, um das anfängliche Zögern Deutschlands und dann Italiens zu überwinden.
Die Verordnung bildet den letzten Teil der EU-Asyl- und Migrationscharta, die mit dem Europäischen Parlament ausgehandelt werden soll. Sie wurde von den Mitgliedstaaten, wie in den Verträgen vorgesehen, mit qualifizierter Mehrheit angenommen und nicht einstimmig, wie von Polen und Ungarn gefordert.
Diese beiden Länder stimmten gegen den Entwurf, während sich Österreich, die Slowakei und die Tschechische Republik der Stimme enthielten.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte die von ihr am Freitag als „großen Erfolg“ bezeichnete Abstimmung.
Am Vortag brachte auch die rechtsextreme italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ihre Zufriedenheit zum Ausdruck, indem sie sagte: „Europas Wahrnehmung und Ambitionen in Migrationsfragen entwickeln sich in Richtung einer realistischeren Linie in Bezug auf die Frage der Legitimität und dem Wunsch der Bekämpfung von Menschenhändlern sowie dem Willen, die illegale Einwanderung zu stoppen.“
Allerdings wurde der zur Diskussion vorgelegte Entwurf einer Migrationserklärung während der Vorbereitungen im Vorfeld des Gipfels am Freitag verschärft und betont nun ausdrücklich die Notwendigkeit, „unverzüglich und entschieden“ gegen die illegale Einwanderung vorzugehen und die Abschiebung illegaler Einwanderer zu intensivieren.
Der Entwurf unterstreicht die Entschlossenheit der EU, „für beide Seiten vorteilhafte globale Partnerschaften mit Herkunfts- und Transitländern“ aufzubauen, um die Weiterreise von Migranten von dort nach Europa zu begrenzen. Ein Beispiel dafür ist ein im Juli mit Tunesien unterzeichnetes Abkommen.
Diese Absichtserklärung ist jedoch aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Achtung der Rechte von Migranten in Tunesien umstritten. Ausserdem gibt es Kritik seitens einiger Mitgliedstaaten, die sich darüber beklagten, dass sie nicht ausreichend in die Verhandlungen einbezogen worden seien.
Der außenpolitische Beauftragte der Europäischen Union, Josep Borrell, hatte zuvor die Möglichkeit angedeutet, dass die Einwanderung aufgrund der seiner Meinung nach „tiefen kulturellen und politischen“ Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf Migranten zu einer „auflösenden Kraft für die Europäische Union“ werden könnte.
Aber Borrell betonte auch die Ironie, die darin bestehe, dass Europa aus der Sicht des Arbeitsmarktes Einwanderer brauche, „um zu überleben.“ Er fügte hinzu, dass das demografische Wachstum in Europa sehr gering sei, was unweigerlich die Nachfrage nach Einwanderern ankurbele.