Das französische Verwaltungsgericht hat ein Dekret, das die Verteilung von Lebensmitteln in bestimmten Bereichen des 10. und 19. Arrondissements in der Hauptstadt Paris verbietet, etwa drei Wochen nach seinem Erlass aufgehoben.
Der Verein „Utopia 56“, die Menschenrechtsliga und die „Union solidarischer Aktivisten“, die beim Verwaltungsgericht Berufung eingelegt hatten, begrüßten diese Entscheidung.
Laut der Webseite „Mohajer News“ sagte Océane Marache, die Koordinatorin der Utopia 56-Zweigstelle in Paris: „Das ist es, was wir uns erhofft haben, wir sind sehr zufrieden mit dieser Entscheidung. Obwohl es verrückt war, an einen Punkt zu kommen, an dem wir unsere Energien für den Rechtsweg, statt für unsere Solidaritätsaktionen verwenden mussten.“
In der Verordnung der Polizeibehörde, die am Dienstag, dem 10. Oktober, in Kraft trat, heißt es, dass die Lebensmittelverteilungsaktionen „im Viertel Boulevard de la Villette die Bildung illegaler Zeltlager mit gefördert haben, in dem sich Migranten, Drogenabhängige und Obdachlose aufhalten.“
Die Polizeiführung betonte zur Verteidigung ihres Erlasses den Sicherheitsaspekt und sprach von „Versammlungen“, „Verstößen im Straßenverkehr“, der Anwesenheit von „Drogenabhängigen“ und der „Störung der öffentlichen Ordnung“. Die Maßnahme sollte bis zum 10. November gelten.
Für Philippe Caro, Mitglied des Vereins „Solidarité Migrants Wilson“ (Wilson Solidarität mit Migranten), ist es „verabscheuungswürdig“, ein Grundbedürfnis wie Nahrung gegen Menschen einzusetzen, die „sowieso nichts mehr haben“. Er fuhr fort: „Das ist die Aufnahmepolitik Frankreichs: die Menschen auf der Strasse lassen und sie am Essen und Trinken hindern.“
Die Richterin befand in ihrer Entscheidung vom 18. Oktober laut einer Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts, dass die Störung der öffentlichen Ordnung, mit der der Polizeidirektor die Rechtmäßigkeit des Dekrets begründete, „nicht erwiesen“ sei. Sie betonte weiterhin, dass das Verbot „nicht notwendig ist, um die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten.“
Trotz dieser „guten Nachrichten“ bleiben die Organisationen besorgt. „Angesichts der bevorstehenden Olympischen Spiele befürchten wir, dass sich solche offiziellen Dekrete häufen werden“, erklärt Océane Marache. „Denn die Behörden gehen davon aus, dass die Lebensmittelverteilungen die Bildung informeller Camps fördern, obwohl dies bekanntlich falsch ist. Ich hoffe, dass wir nicht in eine Situation kommen wie die in Calais in den letzten Jahren.“
Dort wurden bereits Ende 2020 ähnliche Dekrete zur Verhinderung der Verteilung von Nahrungsmitteln erlassen, um sogenannte „fixe Migrantensammelpunkte“ in der Stadt zu vermeiden. Damit sind Orte gemeint, an denen sich Migranten versammeln und manchmal auch niederlassen. „Utopia 56“ prangerte in einer Erklärung an: „Diese Politik führt nicht nur dazu, dass die Menschen auf der Straße Angst, Einsamkeit, Müdigkeit, Hunger und Durst bekommen, sondern auch zu einer Zunahme von Gewalt, Obdachlosigkeit, Verzweiflung und extremer Vulnerabilität – und all das, ohne eine wirkliche Lösung anzubieten.“
Im September 2022, nach zwei Jahren der Behinderung, hob das Gericht in Lille die in Calais erlassenen Anordnungen schließlich auf und erklärte sie für „offensichtlich unangemessen und unverhältnismäßig“.