Migrationsforscher haben die Reformen der Migrationspolitik der Europäischen Union kritisiert. Sie warnen davor, dass die internationalen Asylstandards der EU ausgehöhlt werden und dass die neue Migrationspolitik das Leben von Kindern gefährdet, obwohl diese besonderen Schutz benötigen.
Die Kritik erfolgte nach der Vorstellung des Jahresberichts „Global Great Escape 2024“ des Global Aviation and Refugee Research Project (GARP), an dem Forscherteams der Universitäten Erlangen-Nürnberg und Osnabrück, des Internationalen Zentrums für Konfliktforschung in Bonn und des Deutschen Instituts für Entwicklung und Nachhaltigkeit (IDOS) beteiligt sind.
Der globale Bericht erschien in diesem Jahr nach der Verabschiedung grundlegender Änderungen der Asylpolitik der Europäischen Union, die acht Jahre lang in der Union diskutiert wurden. Diese Änderungen werden von deutschen Migrationsforschern scharf kritisiert. Einer der schärfsten Kritiker ist ein Forscher am Institut für Migrationsforschung und Kulturwissenschaften der Universität Osnabrück, Frank Düvell, der erklärte, dass die neue Politik grundlegende Standards für den Flüchtlingsschutz ignoriert und dass die globale Verantwortung für den Schutz von Flüchtlingen nur Gerede ist.
Der globale Bericht 2024 widmet sich den Reformen der EU-Migrationspolitik, die das Abfangen von nicht schutzberechtigten Asylbewerbern an den Außengrenzen der EU-Länder und die Einrichtung von gefängnisähnlichen Sammelunterkünften ermöglichen. Laut der neuen Politik können dort mehr als 30.000 Menschen untergebracht werden. Asylbewerber müssen an den Grenzen ein beschleunigtes Verfahren durchlaufen, gegen das sie nur begrenzt Rechtsmittel einlegen können. Asylbewerber, deren Antrag abgelehnt wird, werden sofort abgeschoben, und die verschärften Verfahren gelten für Familien mit Kindern, wobei allein reisende Minderjährige die einzige Ausnahme sind.
Der globale Bericht weist darauf hin, dass die neu beschlossenen Änderungen ein klares Ungleichgewicht zwischen den Rechten von Flüchtlingen und dem europäischen Grenzschutz aufzeigen. Nach Ansicht deutscher Forscherteams stellen diese Reformen, die als europäisches Abkommen gelten, einen Verstoß gegen internationale Asylstandards dar. Der Migrationsexperte Düvell erklärte, dass die Reformen ein klares Ungleichgewicht aufzeigen und eine Gefahr für die Rechte von gefährdeten Kindern darstellen. Die Nürnberger Politikwissenschaftlerin Petra Bendel stellte fest, dass Kinder nach der Europäischen Menschenrechtskonvention und der EU-Grundrechtecharta sowie nach der Einschätzung des Europaratsberichts Anspruch auf besonderen Schutz haben.
Düvell betonte, dass es den neuen Reformen an Verfahrensgarantien bei der Umsetzung neuer Verfahren fehle und die Reformen eine Infragestellung des Grundsatzes darstellten, dass Straftäter nicht an Länder ausgeliefert werden sollen, in denen die Gefahr schwerer Menschenrechtsverletzungen bestehe. Düvell bezeichnete den Wunsch Europas, Flüchtlingsabschiebungen auszuweiten, als nicht logisch, nachhaltig und nicht umsetzbar, zumal arme Länder auf der ganzen Welt eine größere Zahl von Flüchtlingen aufgenommen hätten als Europa. Die europäische Reform werde zu einer verstärkten Vertreibung außerhalb Europas führen, da Flucht angesichts internationaler Krisen wie der Rohingya in Bangladesch oder der Syrer in der Türkei bereits zu einem Dauerzustand geworden sei.
Der Bonner Konfliktforscher Benjamin Etzold forderte, sich für mehr legale Migrationsmöglichkeiten nach Europa einzusetzen, da die Aufnahme von Flüchtlingen vor allem in Deutschland dramatisch zurückgegangen sei, das im Jahr 2023 nur noch 5.000 Menschen im Rahmen des humanitären Aufnahmeprogramms aufnehmen werde. Im Rahmen des humanitären Aufnahmeprogramms wurden nur 5000 Menschen aufgenommen, die Bereitschaft zur Aufnahme von humanitären Fällen ist in Deutschland sehr gering geworden.