Das Hochkommissariat für Flüchtlinge der Vereinten Nationen (UNHCR) kritisierte den Angriff der britischen Innenministerin Suella Braverman auf die UN Flüchtlingskonvention, die ihrer Meinung nach den Herausforderungen der Migration nicht gerecht werde. Nach Bravermans Ansicht sollte die Angst, als Frau oder Homosexueller diskriminiert zu werden, kein ausreichender Grund für einen Anspruch auf internationalen Flüchtlingsschutz sein.
Der UNHCR sagte in einer Mitteilung vom Dienstag, dem 26. September, dass London, anstatt das UN-Abkommen zu kritisieren, „die wirklichen Probleme im Asylsystem angehen sollte, wie zum Beispiel den Rückstand bei den Anträgen und die Bereitstellung sicherer Transportwege für Schutzbedürftige.“ Die Organisation betonte, dass die Flüchtlingskonvention „heute so relevant“ sei „wie zum Zeitpunkt ihrer Verabschiedung.“ Die Konvention lege den grundlegenden Rahmen für den Umgang mit „den Herausforderungen, die der Flüchtlingszustrom mit sich bringt“ fest.
In der Mitteilung heißt es weiter: „Die Flüchtlingskonvention ist der Eckpfeiler des internationalen Flüchtlingsschutzsystems“ und „bleibt ein lebensrettendes Instrument, das dafür sorgt, dass Millionen von Menschen, die jedes Jahr vor Konflikten und Verfolgung fliehen, grenzüberschreitend Zugang zu Sicherheit und Schutz haben.“
Der UNHCR stellte Bravermans Unterscheidung zwischen Verfolgung und Diskriminierung in Frage und betonte: „Wenn Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität von Verfolgung bedroht sind, ist es von entscheidender Bedeutung, dass sie Sicherheit und Schutz suchen können“. Es sei allgemein anerkannt, dass die Flüchtlingskonvention in der Lage ist, diesen und anderen Gruppen Schutz zu bieten.
Die britische Innenministerin Suella Braverman hatte erklärt, dass die Angst vor Diskriminierung aufgrund von Geschlecht oder sexueller Orientierung nicht ausreichen dürfe, um sich für den internationalen Flüchtlingsschutz zu qualifizieren.
In ihrer Rede vor einem amerikanischen Forschungszentrum stellte Braverman die Frage, ob die Anwendung der UN-Flüchtlingskonvention von 1951 noch „zu unserer modernen Zeit past.“
Sie fügte hinzu, dass sich die Rechtssprechung von der Hilfe für diejenigen, die vor Verfolgung fliehen, hin zur Hilfe für diejenigen verlagert habe, die Vorurteile fürchten.
Die Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen präzisiert die rechtliche Definition des Begriffs „Flüchtling“ und spezifiziert die Rechte von Flüchtlingen. Aber die britische Ministerin sagte, dass diese Definition, die vor 70 Jahren erstellt wurde, unter den heutigen Umständen mehr als 780 Millionen Menschen das Recht zur Migration in ein anderes Land einräume.
Die oppositionelle Labour-Partei warf der Innenministerin vor, „die Reform“ des Asylsystems „aufzugeben“.
Yvette Cooper, die Innenministerin im Schattenkabinett der Labour-Partei, sagte: „Jetzt greift sie darauf zurück, im Ausland zu prahlen und nach einem Sündenbock zu suchen, der für das von den Tories verursachte Asyl-Chaos verantwortlich gemacht werden kann.“
Auch Flüchtlingsschutzverbände wie der Flüchtlingsrat in Großbritannien kritisierten die Äußerungen der Ministerin und betonten, dass diese, anstatt die Konventionen der Vereinten Nationen zu kritisieren, lieber ihre Arbeit tun sollte, um die wirklichen Probleme im Asylbereich anzugehen, wie etwa den Rückstand in der Bearbeitung von Asylanträgen und das fehlende Angebot sicherer Transportwege für Schutzbedürftige.
Die rechtsgerichtete britische Regierung hatte versprochen, den Flüchtlingsstrom zu stoppen. Dagegen setzten jedoch in diesem Jahr etwa 24.000 Menschen nach Großbritannien über, was zu einem Rekordanstieg der Zahl der Asylanträge führte. Anschliessend legte die Regierung eine Reihe kontroverser Vorschläge vor, um das Problem anzugehen, darunter die Kriminalisierung irregulärer Migration sowie die Abschiebung von Asylbewerbern, deren Anträge abgelehnt wurden, nach Ruanda.