Das französische Parlament hat den Text des umstrittenen Einwanderungsgesetzes angenommen, nachdem die extreme Rechte für den umstrittenen Gesetzesentwurf gestimmt hatte. Die Abstimmung stellt einen wichtigen Sieg für den französischen Präsidenten Macron dar, führte aber gleichzeitig zu einer tiefen Spaltung innerhalb der parlamentarischen Mehrheit und der Regierung. Der Vertreter der radikalen Linken Mélenchon forderte seine Verbündeten auf, sich der Achse Macron-Le Pen entgegenzustellen. Menschenrechtsorganisationen sehen in dem Gesetz eine „Untergrabung“ des Rechts auf Asyl.
Vor einigen Tagen wurde ein parlamentarischer Vermittlungsausschuss gebildet, nachdem der zur Abstimmung vorgelegte Entwurf von der Nationalversammlung zurückgewiesen worden war, da er Änderungen gegenüber dem Text des ersten Entwurfs enthielt.
Der Ausschuss führte mühsame Debatten und Verhandlungen, um vor der Abstimmung in der Nationalversammlung eine Einigung über die endgültige Formel für das Einwanderungsgesetz zu erzielen und damit die lange Streitphase zu beenden.
Innenminister Gérald Darmanin verteidigte den Text im Parlament und sagte, er sei „zum Schutz der Franzosen“, „zur Regelung der Bedingungen für Arbeitnehmer ohne Papiere“ und „zur Vereinfachung unserer Rechte“ verfasst worden.
In einem Post auf der Plattform X gratulierte Darmanin zur Verabschiedung eines „starken und straffen“ Gesetzestextes. Vor Journalisten drückte er seinen Stolz darüber aus, dass für die Annahme des Gesetzes keine Stimmen der rechtsextremen Vertreter der von Marine Le Pen angeführten Partei Rassemblement National (Nationale Sammlung) benötigt wurden.
Auch Premierministerin Élisabeth Borne vertrat die Auffassung, dass „die Mehrheit den Text kohärent unterstützte“ und dass „die Manöver des Rassemblement National gescheitert“ seien. Sie ignorierte mit dieser Aussage den Widerstand von 59 Abgeordneten der regierungsnahen Mehrheit. In einem Interview mit dem Radiosender France Inter machte sie schliesslich ein wichtiges Eingeständnis und gab zu, dass der Text Maßnahmen enthielt, die Im Widerspruch zur Verfassung stehen.
Während Éric Ciotti, Chef der Partei Die Republikaner, zum „historischen Sieg der Rechten“ gratulierte, war eine Vertreterin der Renaissance Partei, zu der Präsident Emmanuel Macron gehört, der Meinung, dass die rechtsextreme Partei von Marine Le Pen „absolut alles gewonnen“ hat. Le Pen sagte, die Zustimmung für das Projekt sei ein „ideologischer Sieg“ für ihre Partei.
Oppositionsvertreter, allen voran der Generalsekretär der Sozialistischen Partei Olivier Faure, wiesen immer wieder auf die Macht der Stimmen der extremen Rechten hin, bei Abstimmungen den Ausschlag zu geben.
Agence France-Presse nahm Bezug auf die Aussage von Innenminister Darmanin über einen Sieg ohne die Notwendigkeit rechtsextremer Stimmen und berichtete, dass die Stimmenauszählung etwas anderes anzeigte. Der Gesetzesentwurf wurde von 349 der insgesamt 573 Abgeordneten unterstützt, während 186 weitere dagegen waren. Im Detail stimmten 189 der insgesamt 251 Abgeordneten der regierungsnahen Mehrheit sowie acht von 21 der zur Opposition gehörenden Fraktion der Partei Europe Écologie Les Verts (Europa Ökologie die Grünen), 62 Abgeordnete der Republikaner, zwei Abgeordnete ohne registrierte Parteizugehörigkeit und 88 Abgeordnete des rechtsextremen Rassemblement National für den Entwurf.
Zwar wäre der Entwurf auch angenommen worden, wenn sich die Partei von Marine Le Pen der Stimme enthalten hätte, nicht aber, wenn sie dagegen gestimmt hätte, zumal die Partei von ihrer Abstimmungsverpflichtung zurückgetreten war. Auf der Grundlage der obigen Zalen wäre die Mehrheit ohne die Partei Rassemblement National nur auf 268 der angekündigten 535 Stimmen gekommen, was 274 Gegenstimmen entspricht.
Jean-Luc Mélenchon, Vorsitzender der linksradikalen Partei La France Insoumise (Frankreich ungebeugt), prangerte sofort das von ihm als „widerlicher Sieg“ rechtsextremer Stimmen bezeichnete Abstimmungsergebnis an. Er schrieb auf der Plattform X, dass im Land „eine neue politische Achse ihren Weg gefunden“ habe. Seine Partei sowie die linke Koalition aus traditionellen Linken und Umweltschützern „NUPES“ riefen zu einer Dringlichkeitssitzung auf, um der „Achse Macron-Le Pen“ entgegenzutreten.
Aus Protest gegen die Verabschiedung des neuen Gesetzes reichte Gesundheitsminister Aurélien Rousseau seinen Rücktritt ein. Auch andere Minister, die gegen den Gesetzentwurf waren, wie Verkehrsminister Clément Beaune, Wohnungsbauminister Patrice Vergriete und Hochschulministerin Sylvie Retailleau, erwägen ihren Rücktritt.
Im gleichen Zusammenhang äußerten Menschenrechts- und humanitäre Organisationen ihre Besorgnis über das Gesetz weil es nach ihrer Ansicht das Recht auf Asyl und Familienleben untergräbt und die Rechte und Freiheiten von Ausländern an die Justiz bindet.
Das Einwanderungsgesetz ist das zweitwichtigste Gesetzesvorhaben in Frankreich, nach dem Entwurf zur Änderung des Rentengesetzes, den die Regierung unter Anwendung von Artikel 49.3 der Verfassung ohne Abstimmung durchgeboxt hat.