Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zugunsten von zwei syrischen Flüchtlingen gegen Zypern ebnet den Weg für die Prüfung der Asylanträge von Flüchtlingen, die in der Pufferzone festsitzen. Der Gerichtshof hat diese Woche in einer Klage entschieden, die von zwei syrischen Flüchtlingen angestrengt wurde, dass Zypern ihnen eine Entschädigung zahlen muss, weil es ihnen verwehrt hat, Asyl zu beantragen.
Befürworter von Migranten haben das Urteil als Sieg gefeiert. Nach Angaben der Anwälte wird das Urteil Asylbewerber, die in der von den Vereinten Nationen kontrollierten Pufferzone festsitzen, ermutigen, sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu wenden, um Zypern zur Prüfung ihrer Asylanträge zu zwingen.
Nach Ansicht der prominenten Menschenrechtsanwältin Nicoletta Charalambidou, die die Flüchtlinge in diesem Fall vertreten hat, hat Zypern in den letzten vier Jahren eine menschenrechtswidrige Asylpolitik betrieben und illegale Rückführungen sowohl an Land als auch auf See durchgeführt. „Dieses Urteil hat diese illegalen Verfahren aufgedeckt und einen Präzedenzfall geschaffen. Es ist ein perfekter Sieg für die Menschenrechte“, so Charalambidou.
Nach dem Urteil des Gerichts hat Zypern gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und die Grundprinzipien des Flüchtlingsrechts verstoßen, indem es Syrer, die auf See abgefangen wurden, daran gehindert hat, in Zypern an Land zu kommen, und sie in den Libanon zurückgeschickt hat, bevor sie ihre Asylanträge geprüft haben.
Laut dem Urteil haben die beiden syrischen Flüchtlinge aus der Stadt Idlib bereits vier Jahre in einem Flüchtlingslager verbracht, nachdem sie wegen des dortigen Bürgerkriegs aus Syrien geflohen waren. Dem Urteil zufolge „konnte das Gericht die Tatsache nicht ignorieren, dass die Flüchtlinge zwei Tage lang unter der Kontrolle der zypriotischen Seepolizei auf dem Meer festgesessen haben und nicht von Bord gehen durften, um Asyl zu beantragen“. Nach Ansicht der Gerichtsrichter kommt die Abschiebung der Asylbewerber aus den zyprischen Hoheitsgewässern und ihre gewaltsame Rückführung in den Libanon einer Vertreibung gleich.
Zypern hat die beiden syrischen Flüchtlinge zwei Tage lang auf dem Boot festgehalten, mit dem sie im September 2020 angekommen waren. Die Behörden haben ihnen das Verlassen des Boots verweigert, und sie in den Libanon, einen „unsicheren Drittstaat“, geschickt. Das Gericht hat dies als „erniedrigende Behandlung“ bezeichnet, da die beiden Männer aufgrund mangelnder Versorgung mit Nahrung und Wasser sowie ohne Zugang zu sanitären Einrichtungen erhebliches Leid ertragen mussten.
Die international anerkannte zypriotische Regierung im südlichen Teil Zyperns hat sich bisher nicht offiziell zum Urteil geäußert. Laut Präsident Nicos Christodoulides wird die Regierung die Entscheidung des Gerichts sorgfältig prüfen: „Als Land unter Besatzung wissen wir, was es bedeutet, ein Flüchtling zu sein und aus seiner Heimat fliehen zu müssen“, so Christodoulides.
Zypern, das im Osten der Europäischen Union liegt, ist seit 1974 geteilt. 200 000 Zyprioten mussten damals aus dem Norden in den Süden der Insel fliehen, nachdem die Türkei in den nördlichen Teil der Insel einmarschiert war, um die Vereinigung mit Griechenland zu verhindern. Zudem hat der Nordteil seine Unabhängigkeit erklärt, die jedoch international nur von der Türkei anerkannt wird.
Durch die Teilung der Insel gelangen Asylsuchende aus dem türkisch kontrollierten Norden in den Süden Zyperns. Die Regierung im Süden erklärt jedoch, dass sie nicht in der Lage sei, Asylanträge zu prüfen, da ihr an der notwendigen Infrastruktur fehle. Zypern verfolgt eine strikte Asylpolitik zur Kontrolle des Flüchtlingsstroms. Laut einem kürzlich veröffentlichten Bericht des Netzwerkes zur Beobachtung von Grenzgewalt führt Zypern gewaltsame Abschiebungen durch und hat seit 2022 in der Pufferzone und an der Seegrenze verstärkte Grenzkontrolltechnologien eingesetzt. Diese Technologien, so der Bericht, würden „anhaltende Rechtsverletzungen erleichtern und ermöglichen“.
Die zypriotische Asylpolitik hat das Leiden der in der Pufferzone gestrandeten Asylbewerber verschärft, deren Zahl derzeit fünfundsechzig beträgt. Nach Angaben des UNHCR sind einige der Gestrandeten an Krebs erkrankt, und es gibt neun unbegleitete Minderjährige. Laut der Sprecherin der UN-Organisation, Emilia Strovoledo, „stellt der Staat nun Lebensmittel zur Verfügung, aber was dringend benötigt wird, ist eine langfristige nachhaltige Lösung. Wir sind in Gesprächen mit der Regierung. Einige Menschen warten seit Monaten in einer ungewissen Lage und befinden sich in einer sehr belastenden psychologischen Situation.“
Die zyprische Regierung lehnt es ab, die Weigerung, Asylanträge in der Transitzone zu prüfen, als Verstoß gegen europäisches Recht anzuerkennen. „Zypern hat entschieden, dass es keine Migrantenströme über die Grüne Linie akzeptieren wird, insbesondere da es uns gelungen ist, die Ankunft von Migranten auf dem Seeweg zu verhindern“, so Nicholas Ioannidi, der stellvertretende Migrationsminister.
Nach Angaben der Anwältin Charalampidou haben die Asylbewerber bereits 25 Klagen gegen Zypern eingereicht, in denen sie Verletzungen internationalen Rechts und Zyperns Versäumnis, sie zu schützen, geltend machen.